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  • AutorenbildAnna Gelbert

Wählerisch? Wäre ich gern. Wem gebe ich mein Kreuz?


München, ein Stadtfest am Wochenende, zwischen Zuckerwatteständen und Dosenwerfen Wahlkampfstände, Ballons in Gelb, Grün, Rot und Blau werden von klebrigen Kinderhänden spazieren getragen. Tränen, wenn wieder mal einer davonfliegt. Staunen. Schau wie hoch...ach, das war der von der CSU, nicht so schlimm.

In einem Monat ist Landtagswahl hier in Bayern, und noch nie fühlte ich mich so wenig vertreten von irgendwem.

Anderen scheint es ähnlich zu gehen.

Dabei ist das Wahlrecht ein Privileg. Ich sollte mich freuen. Meine Familie floh einst aus dem Irak, um genau das zu genießen: Friedliche Zeiten, freie Wahlen. Ein Kreuz hinter den Namen zu machen, der Dir taugt und Dich frei über andere zu äußern, die das nicht tun - unbezahlbar.

Warum nur kann ich mich dieses Mal so gar nicht aufraffen, wirklich FÜR jemanden zu sein?

Ich weiß nur eins: Nicht-Wählen ist keine Option.

Samstag Abend, ein gehobenes Münchner Restaurant mit fernöstlicher Küche. Die Anwesenden: Fünf Erwachsene, gebildet, belesen, politisch interessiert. Einer: "Also dieses Mal weiß ich so gar nicht, wen ich wählen soll." Darauf von gegenüber: "Naja, am besten wählt man auf Koalition hin", ich so "Ist noch was von dem Primitivo da?". Bis die Rechnung kommt, einigen wir uns darauf, das kleinste Übel anzukreuzen. So weit sind wir also. Wir wählen das kleinste Übel. Tut keinem weh, löst unsere Probleme aber auch nicht.

Aber wer löst unsere Probleme überhaupt noch? Mit keinem der Peinlich-Partei-Ballons auf dem Stadtfest wäre ich gern öffentlich gesehen worden. Ständig sprechen mich auf Wochenmärkten und vor der U-Bahn deprimierende Ortsvereine an, drücken mir Rosen und Broschüren in die Hand, "Gerade Sie als Mutter sollten doch...", "Gerade Sie als Berufstätige müssten ja eigentlich...". Falscher Ansatz: Gerade Ihr als Politiker solltet mal wieder eine Vision von unserem Land haben. Wie wollen wir leben, wie wollen wir miteinander, zueinander sein? Wer darf rein, und unter welchen Bedingungen, und wer muss wieder raus? Warum leben Rentner am Existenzminimum? Warum haben wir so wenige Lehrkräfte? Wieso laufen hier vollverschleierte 12-jährige Mädchen herum? Warum kann sich kaum noch jemand ohne Erbe ein Eigenheim leisten? Was sind das für Märsche, denen Ihr keinen Einhalt gebieten könnt? Wie konntet Ihr zulassen, das das Land so gespalten ist?

Ich würde mich so gerne engagieren, mal vom Sofa runter, wie Heiko Maas (vermutlich vom Sofa aus) fordert. Aber ich wüsste nur, wogegen, nicht aber wofür.

Die Wahl hat mich wieder zum Frage-Kind gemacht. Nur, dass mir niemand mehr die Welt erklärt.

Schade eigentlich.

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