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AutorenbildAnna Gelbert

Die Abnehmspritze, Stars und Lügen

Aktualisiert: 17. Jan.


Wow! Christina Aguilera hat 20 Kilo abgespeckt, Kelly Clarkson ebenfalls 20, Ginger Wollersheim satte 18, Daniela Katzenberger 10, "Unter-Uns-Star" Lars Steinhöfel ganze 13. Seit Wochen fluten uns Nachrichten über fantastische Gewichtsverluste von Promis. Noch nie haben so viele Stars auf einmal so viele Kilos gelassen. Und das alles, man höre und lache, nur mit Ernährungsumstellung und Sport.


Zeitgleich ist seit Monaten ein Medikament auf dem Markt, das eigentlich für Diabetikende gedacht ist, jetzt aber auch Gabi Mustermann zur Musterfigur helfen soll. Das Wunderzeug heißt Semaglutid und gilt als Gamechanger in Sachen Blutzuckerspiegel und Heißhunger. Hm, ein Abnehmprodukt UND viele erschlankte Promis? Hier mag es einen zeitlichen, aber nicht zwingend einen kausalen Zusammenhang geben. Komisch ist es trotzdem. Noch komischer: Niemand sagt's.


Früher verschwanden die Stars im Winter in Südafrika und kamen gebräunt, gestrafft und ein paar Kilo leichter wieder. Manchmal machten sie auch einen Trip in die Türkei und kamen mit Stupsnäschen, Klavier-Tastatur-überkronten Zähnen oder sichtbar vollerem Haar zurück. Oder sie stolperten verstohlen mit Sonnenbrille und Hoodie aus dem Hintereingang einer Düsseldorfer Fettabsauge-Klinik. Schon klar, niemand spricht gern drüber. Es soll einfach ein bisschen besser aussehen, schließlich verdienen die Damen und Herren ihr Geld damit.


Aber hey, war da nicht was mit Body Positivity und #perfectlyimperfect? Über die Eisfläche gleiten doch jetzt stattliche Werbetestimonials, mollig ist jetzt curvy (das bin ich selbst, es heißt nur neuerdings anders), und wir haben gelernt, dass alle Menschen schön sind. Fein. Aber warum wollen heimlich ein paar Leute das gute alte SCHLANK zurück? Muss es 2024 nicht ok sein, sich egal welche Figur zu wünschen? Warum der "Ich hab einfach Brot weggelassen und mehr trainiert"-Bullshit?


In den USA ist man, wie immer, schon weiter: Hier schwärmt Elon Musk (der sicher keine Werbeeinnahmen braucht) offen von der Abnehmspritze, die deutlich erschlankte Kim Kardashian hält mit ihrer Begeisterung auch nicht hinterm Berg. Die meisten anderen Reichen, Schönen und plötzlich Dünnen schweigen - und das, wo sie sonst für völlig wirkungslose Pharmaprodukte durchaus gerne Werbung machen. Woher kommt sie, die neue Schlankheitsscham?


Vielleicht ist ein Grund, dass wir Heldinnen und Helden wollen, die mit Disziplin und einer Armee an Health-Hilfpersonal an ihre Pölsterchen gehen, die sich gesund ernähren und viel Sport treiben? Vielleicht sollen Fans nicht denken, dass ihre Stars in Wirklichkeit Sofa-Luschen ohne Willensstärke sind, die zu einem Hilfsmittel greifen, weil der Burger doch besser als die Bowl geschmeckt hat? Aber hey, ist das nicht auch menschlich und muss gerade in diesen Zeiten okay sein?


Auch ich habe schon über den Fett-Weg-Piks nachgedacht, das will ich nicht verhehlen. Wie herrlich muss es sein, endlich mühelos zehn Kilo weniger zu wiegen? Ich treibe viel Sport und ernähre mich sehr gesund - zu mehr als Normalgewicht hat's aber nicht gereicht. Am Ende habe ich mich dagegen entschieden. Ich schwitze weiter und schreibe Texte für ein Abnehmformat, in dem sich eine Gruppe von Menschen ein paar Wochen lang schindet, um ein leichteres Leben zu bekommen. Dafür verdienen sie meinen höchsten Respekt!


In Zeiten, in denen über Depressionen, Essstörungen und Traumata immer offener gesprochen wird (gut so!), muss es auch okay sein, zu sagen: "Ja, ich habe mich für 200 Euro stechen lassen, weil ich endlich wieder in Jeansgröße 28 passen und mich leichter, fitter und gesünder fühlen wollte". Na und? Liebe Figur-Flunker-Promis: Es ist Zeit für Kilo-Klartext - hört auf, uns Schwachsinn zu erzählen! Damit wir Normalos wissen: Es liegt nicht an uns. Ihr habt nur nachgeholfen.


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