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Ausstand mit Anstand - Wie man einen Konzern stilvoll verlässt

  • Autorenbild: Anna Gelbert
    Anna Gelbert
  • 21. Aug.
  • 3 Min. Lesezeit

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Und was machst Du DANN? Diese Frage höre ich gerade täglich. Meine Antwort: Mal sehen! Nach fast drei Jahrzehnten bei meinem Arbeitgeber ist es Zeit für einen liebevollen Blick zurück und einen neugierigen nach vorn.

 

Abschiedsmails sind so 2020. Jetzt wird gepostet.

Mein Job und ich, wir waren 27 Jahre lang eine feste Einheit. Es gab nicht nur mich oder ihn, es gab uns. Jetzt haben wir beschlossen, getrennte Wege zu gehen.

So ein Marathon-Arbeitsverhältnis ist wie eine alte Ehe, die lautlos zerbricht, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Man hatte schöne Urlaube, ist an einander gewachsen und aneinandergewachsen. Es gab auch mal Zoff, und irgendwann konnte man dem Partner nicht mehr beim Kauen zuhören. Jetzt sitzt man immer öfter still scrollend im Lokal, und auch nach dem zweiten Wein wird der Andere nicht mehr schön. Zeit, sich im Guten zu trennen.


Die Queen Mum des Boulevard geht

Bei mir stapeln sich die Insta-DMs: DU gehst? Offenbar galt ich in unserer Firma als Institution: Irgendwie immer da, wie die Feuerlöscher. Etliche Volo-Generationen wurden von mir geschult und mit Begeisterung fürs Schreiben angesteckt. Dutzende Vorgesetzte habe ich kommen und gehen sehen, viele tausend Beiträge produziert. Ich habe zwei Kinder von meinem Kollegen bekommen, bevor es dazu eine Richtlinie gab und Workshop-Partys gefeiert, die heute justiziabel wären. Und ich habe konsequent immer zu kurze Röcke und zu hohe Schuhe getragen.


Die rasende Reporterin

Ich komme aus einer Zeit, in der es keine Überstunden hab, sondern Geschichten, die man unbedingt eintüten wollte. Einer Zeit, in der Work-Life-Balance übersetzt hieß: Vergiss es, Du wirst in beidem scheitern! In unserem TV-Barock wurde das Fernseh-Feuer noch nicht mit einer Formularflut gelöscht. Wir durften Fehler machen, uns dann den Staub von den Knie-Flicken klopfen und lustvoll weiterdrehen. Wir stellten neugierig Fragen, anstatt ängstlich Antworten wiederzukäuen. Wir weinten und lachten mit Protagonisten. Und jeden einzelnen Tag hatten wir Lust auf den Job. Unser Motto: Die Welt ist aufregend, und wir dürfen jeden Tag all diese Geschichten finden und erzählen. Ein Geschenk.

 

Ab ins Beiboot!

Ich durfte die Welt bereisen und Freundschaften schließen. Ich durfte Promis treffen und Formate etablieren, durfte mit Teams Erfolge feiern und Pleiten wegstecken. Ich musste manchmal meinen Stolz runterschlucken und war doch immer gern an Bord. Jetzt springe ich ins Beiboot. Das ist zwar kleiner, und ich verpasse das Mittagsbuffet. Aber es ist wendig und kommt überallhin. Und zum Glück bin ich eine gute Schwimmerin.


Raus – und nu?

Jetzt rufen täglich Kolleginnen und Kollegen an. Die einen sagen: Wow, toll dass Du es wagst, ich traue mich nicht, weil ich sonst nichts kann. Die anderen sagen: Ich bleibe, Sicherheit geht über alles. Wieder andere fragen mich, ob ich jetzt dann bitte ihr Buch schreiben, ihre-Podcast-Gäste einladen oder ihre Website redigieren kann. Kann ich. Will ich aber nicht.

Was ich will, das hat sich über Jahre herausgeschält. Als ich vor vielen Jahren ein Lifestyle-Format betreute, sagte mein Freund: Schön und gut. Aber hast Du nicht mehr auf der Pfanne? Habe ich. Ich musste mich nur öffnen. Erkennen, dass es am Ende des Lebens nicht nur darauf ankommt, als gute Mutter, Freundin und Mensch ins Ziel zu laufen. Sondern auch darauf, was man aus seinem Potential gemacht hat.


Time to shine

Ich fing an, nebenher zu bloggen. Ich schrieb Podcasts, ich merkte, wie gerne ich unterrichte und mit jungen Menschen arbeite, ich testete und verwarf die Politik, ich wurde immer besser auf Social Media. Ich fing an, professionell zu backen, ich bekämpfte meine Flugangst, trieb Sport und nahm 15 Kilo ab, ich schrieb zwei Bücher. Irgendwann ist es wie bei einer Pflanze, deren Blätter abfallen, wenn ihre Wurzeln nicht genügend Platz bekommen (okay, die Botanik schau ich mir nochmal an). Vielleicht sah es nach außen so aus, als sei ich behäbig geworden. 53 halt. In Wirklichkeit wuchs ich.


Was ich weiterhin tue

Ich schreibe True Crime Podcasts und bin darin richtig, richtig gut.

Ich bin Dozentin für Politische Kommunikation und Social Media an der Uni und lehre Anfang-Zwanziger, Sprache zu lieben - mit oder ohne KI.

Ich texte TV-Formate.

Ich produziere Content für Instagram und versuche, täglich besser zu werden. Wo steht, dass das mit 53 nicht mehr geht? Das Schöne an Social Media: Es ist eine gigantische Spielwiese für alle.

Ich werde Workshops für Menschen anbieten, die sich ebenfalls auf diesen Weg machen. Ihr seid die Ersten, die es hier erfahren.

Ich werde reisen und mich an einen Roman wagen.


When CALL is said and done

Das lange Konzernkapitel schlage ich dankbar und mit einem Lächeln zu. Die Calls werde ich nicht vermissen. Die Geschichten schon.

Es ist wie das Finale einer Ehe (wenn sie nicht wie bei Brangelina endet): Schee wars. Aus is. Sobald geklärt ist, wer den Hund und das Raclette-Set behält, gehen wir mal einen trinken. Auf die guten alten Zeiten – und das, was kommt!

 

 

 

 
 
 

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© 2017 by Anna Gelbert © 2017 Photos by Schoko-Auge

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