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Don't Princess Me! Das Märchen von der Facebook-Fee


Es war einmal eine Frau, die schrieb für ihr Leben gern. Tag um Tag saß sie an ihrer digitalen Spindel und spann kurzweilige Sätze, auf dass jene die Menschen zum Lachen und Nachdenken brächten. Weil die Frau von holdem Wuchs war, verbreitete sie bald auch Bilder von sich. Ein böser Zauber hatte allerdings dafür gesorgt, dass ihre Nase groß und ihre Stimme laut war. Und das mochte beileibe nicht jeder.

Und wie die Frau eines Tages an ihrer Arbeit saß, da erschien ihr in zauberhaftem Lichte eine hübsche Fee mit einem Gesicht, blau beschienen wie von einem LED-Bildschirm.

"Was willst Du?", fragte die Frau, die sich nur allzu gern von ihrem harten Tagwerk ablenken ließ.

Da sprach die Fee. "Ich nehme Dich mit in den Facebook-Zauberwald. Dort können alle Deine Worte lesen und Kunde von Deinem Können tun."

Die Schreiberin stimmte zu, denn der Tag neigte sich dem Ende, und die Ideen gingen ihr aus.

Staunend folgte sie der Fee in einen blauen Wald, in dem Millionen Bäume zu stehen schienen. Gar wundersam: Ein paar von ihnen begannen zu sprechen. "Das ist unser Messenger", verkündete die Fee. "Er überbringt Dir Botschaften. Eile nur rasch zurück an Deine Spindel, dann kannst Du sie lesen." Noch ehe die Fee den Satz beendet hatte, ploppten die ersten Nachrichten auf dem Smartphone der Frau auf.

Fremde Menschen hießen sie schön, andere waren erbost über ihre Pamphlete, schalten sie gar eine Rassistin - nicht wissend, dass sie selbst aus dem fernen Morgenlande stammte.

Weil sie von üppiger Gestalt und nicht mehr ganz jung war, wurde sie zu nicht weniger als zwei Dutzend Diät-Challenges aufgefordert, in Anti-Aging-Programme eingeladen und fand sich unversehens in allerlei Gruppen wieder, aus deren Tentakeln sie sich nur unter Aufbietung aller Kräfte befreien konnte: Sogenannte Patrioten, Linke, Satanisten, Volksversöhner, Katzenvideoliebhaber, Luxusmessenbesucher, sie alle wollten die Frau zu einer der Ihren machen, wogegen diese sich mit Entschiedenheit zur Wehr setzte.

Wieder andere sandten ihr ungefragt Abbilder ihrer Gemächte zu, die allesamt nicht weiter erwähnenswert waren. Mannsbilder, die sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte, wollten sie vom Fleck weg ehelichen, und nicht wenige sandten ihr Nachrichten in fremden Zungen. Einige Galane brachten es auf 60 (!) Grußbotschaften. Viele verbargen ihr Antlitz und schrieben hinter dem Schutzschild alberner Bildchen: "Hallo, süße, kleine Prinzessin". Verwirrt blickte die Frau an sich herunter: Sie war trainiert, wog 65 Kilo und konnte problemlos einem ausgewachsenen Mann alle zehn Finger brechen. Nichts wollte sie weniger, als Prinzessin genannt werden. Wieder ging sie - nicht süß und nicht klein - in den Zauberwald und rief nach der Fee. Hinter einem Baum namens Frequently Asked Questions tauchte das Geschöpf auf. "Was soll ich tun?", fragte die Frau. "Nichts", gab diese zurück. "Gar nichts, denn sonst bräche ein apokalyptischer Fäkalien-Sturm über Dich herein. Nutze den Wald, erfreue Dich an den Followern und gräme Dich nicht über jene, die dort aus Langeweile oder Frustration herumlungern."

Sprachs und entschwand im blauen Nebel.

Fortan beherzigte die Frau den weisen Rat der Fee. Sie ging täglich in den blauen Zauberwald, mied aber die sprechenden Bäume. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann postet sie noch heute. Nur eine Bitte hat sie: Don't Princess Me!

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