Die Griechen-Krise ist offiziell vorbei - zumindest in München. Seit ich auf Mykonos war, wo jeder Strand jetzt ein Beachclub und jede Taverne unbezahlbar ist, verstehe ich endlich, was 2000 Kilometer entfernt, in unserer Stadt vor sich geht. Eine echte Gastro-lution: Der Eck-Grieche, früher ein runtergewirtschafteter Fliesen-Verhau, in dem man bei harzigem Retsina, Dolmades aus der Dose und billigsten Fleischfetzen unfassbar abstürzen konnte, argwöhnisch bewacht von dicken Kellnerinnen mit Damenbart, stirbt 2018 aus.
An seine Stelle tritt jetzt: Der Edel-Grieche. Überdimensionierte Korblampen, grobes Segeltuch in Natur-Tönen, Rattan-Lounges, mediterran anmutende Deko-Holzklötze versuchen, den Lifestyle eines griechischen Eilands nach Bayern zu destillieren. Beim Zeus - mit wachsendem Erfolg! In jedem Stadtteil, der etwas auf sich hält, steht die Restaurant-Elite jetzt Schlange bis auf die Straße, um sich das Geld aus der Tasche ziehen zu lassen. Selbst das Personal sieht jetzt anders aus: Die Jungs und Mädels, die uns hier bedienen, könnten sofort nach dem Servieren auf einer Luxusyacht anheuern. Aphrodite und Adonis bringen jetzt Apollinaris. Ach ja, die neue Göttin heißt Reservitis. Wir Münchner huldigen ihr schon lange, denn sie ist die Schutzheilige der Dinner-Planung.
Ein lauer Sommerabend in Schwabing. Hier nimmt die griechische Teller-Tragödie ihren Lauf.
Vor der Tür des neuen Edel-Griechen im Viertel: Wirt Costa, (Merke: Der Wirt heißt IMMER Costa, auch wenn er Albaner ist) hastet vorbei, die Arme voll mit leeren Tellern. Trotzdem hat er noch einen Arm frei, um uns ALLE zu berühren.
Du: "Einen Tisch für vier bitte, nein, wir haben nicht reserviert. Die Sonne scheint ja erst seit einer Stunde...und man sitzt hier so nett drau..."
Er unterbricht (mit dramatischem, verzweifelten Blick auf sein I Pad): "KEINE Reservierung? Ich kann da leider nix, ...Moment...vielleicht doch...dort hinten"..
Er rast weg, schichtet drei Tische und mehrere Gästegruppen um, ihre verdutzen Blicke ignorierend: "Jetzt ist DOCH frei, kommen Sie bitte. Aber nur 90 Minuten!"
Dankbar nehmen wir Platz. Hat früher jemals jemand beim Eck-Griechen reserviert? Das WORT gab's gar nicht. Heute: Hochprofessionelles Tisch-Management, meisterhafte Improvisation, gepaart mit listigem Charme und unverhohlenem Geschäftssinn.
Jetzt kommt der Speisekarten-Sirtaki: Kellner steht mit überdimensionierter Schiefertafel am, nein, IM Tisch und übersetzt die unleserlichen Lettern ins Unverständliche. Aber wir wissen eh, was es gibt: Dorade, Loup de Mer, Calamares, gefüllte Paprika, Gyros, Salat, Tzatziki. War nie anders, kostet heute aber das Dreifache.
Und wir Münchner? LIEBEN es! Drehen sonst angewidert den Kopf weg, wenn im Bus jemand Döner isst, schaufeln uns hier aber soviel Knoblauch rein, dass wir den Rest der Nacht Sodbrennen haben. Morgen irgendwohin? Undenkbar. Auf Hydra fiel das im Mai keinem auf. In der U3 riskierst Du mit dieser Fahne einen Satz heiße Ohren.
Aber hey, es ist Sommer, wir sitzen alle draußen, das Leben scheint für zwei sonnige Abendstunden gut zu uns zu sein, der Wein ist der Wahnsinn, das Olivenöl BIO, was soll's.
Noch einen griechischen Mocca fürs Herz hinterher, fast so gut wie auf Paros, weißt Du noch, Schatz? Hier noch ein bisschen Angeber-Wissen, das kann man gut zum Dessert droppen: In Griechenland gibt es mehr über-100-Jährige als irgendwo sonst - ein Hoch auf den Hellenen-Hedonismus!
Aber Obacht! Bevor die ersten Aufstoßer kommen, kommt die Rechnung - und die ist länger als die Speisekarte. Zum Verdauen des Gesamtbetrages gibt's den obligatorischen Ouzo NICHT aufs Haus. Man lernt ja auch dazu.
120 Euro für vier Personen? Zefix (das ist der Gott des Haare-Raufens), die haben's ja echt drauf.
Wenn Griechenland sich von diesen Jungs was abschaut, hat es bald keine Geldprobleme mehr. Denn 2018 wird beim Griechen nicht nur Grillfleisch, sondern für viel Geld auch ein Lebensgefühl verkauft - und dafür haben wir Münchner ja schon immer gern gezahlt. Efcharisto!