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  • AutorenbildAnna Gelbert

Flugangst? Damn it!


Flugangst? Fuck it!

Die meisten Menschen freuen sich auf Urlaubsflüge - ich bereite mich auf jeden Trip vor wie auf meinen eigenen Tod. Der Weg ist das Ziel? Nein: Das ZIEL ist das Ziel. Und der Weg dahin für mich eine stundenlange Panik-Attacke.

Dabei liebe ich Reisen. 15 Jahre lang flog ich als Boulevard-Reporterin um die Welt. Fast immer war ich froh, neue Menschen und Länder kennenzulernen. Fast immer alterte ich auf dem Flug um Jahre: Ich saß in Reihe 4, als ein Co-Pilot ohnmächtig aus dem Cockpit getragen wurde, ich zwang in Johannesburg einen Pfarrer, meine Hand zu halten. Und ich verließ in Berlin einen Flieger, weil vier Mitpassagiere sich verdächtig verhielten. Unvergessen ein Rückflug von Paris, als am Gate ein verwirrt aussehender Mann betete. Was machst du in so einem Fall? Ansprechen? „Pardon, Sie haben nicht zufällig vor, unser Flugzeug in die Luft zu jagen? Dann würde ich jetzt nämlich noch eben umbuchen!“ Ich stieg ein und überlebte. Wieder mal.

Wenn Du Flugangst hast, ist jede Reise eine Qual, und auch das hippe Wort TRAVEL macht es nicht erträglicher. Schon Tage vorher studiere ich stündlich den Wetterbericht auf der gesamten Flugroute. Das Symbol einer Windhose versetzt mich in hellste Aufregung. Logo, dass sich in diesen Tagen Meldungen häufen wie „7000 Meter abgesackt- Passagiere in Todesangst – das Video aus dem Horrorflieger“. Oder: „5 Flugzeug-Geheimnisse, die sie lieber nicht kennen wollen!“ (Natürlich lerne ich sie dann doch kennen). Ich meide Billig-Airlines, Sturmtiefs, Abendflüge im Sommer (Achtung, Gewittergefahr!), Nachtflüge, Transatlantikflüge, alles, was auch nur in die Nähe des Jet Stream kommt, Flüge bei Schnee und Nebel. Merkt Ihr was? Da bleibt nicht viel übrig. Ich bin Hobby-Meteorologin geworden - und vermutlich könnte ich mittlerweile auch nen Airbus A320 fliegen.

Spätestens am Flughafen rutsche ich in den „Lamm zur Schlachtbank“-Modus und versuche, beim Shoppen zu entspannen. Doch im Duty Free ploppen allerlei philosophische Fragen auf: Muss ich jetzt noch 150 Euro für Kosmetik aufgeben, wenn ich ohnehin gleich abschmiere? Oder: Brauche ich eine teure Augencreme, wenn ich nach der Notwasserung auf einer einsamen Insel meine Mitpassagiere verspeise? Zur Sicherheit kaufe ich noch eine Flasche Wasser und Kekse - falls ich in eine Flugzeugentführung gerate.

Ich bin ein hoffnungsloser Flug-Neurotiker - und das ist noch schlimmer, seit ich Kinder habe. Der Gedanke, mir in die Hosen zu machen, dann meiner Familie eine Abschieds-SMS zu schreiben, bevor ich ohnmächtig ins Meer rase, bereitet mir schlaflose Nächte. Was für ein scheiß Tod. Hypnotisiert studiere ich seit Jahren alle Berichte über (die zum Glück immer seltener werdenden) Flugzeugabstürze.

Dann beginnen die quälenden Meter, bevor ich im Flieger bin: Schon im Tunnel werfe ich einen stechenden Blick ins Cockpit: Stehen da besorgt aussehende Mechaniker rum und rufen hektisch was ins Funkgerät? Sehen die Piloten so aus, als haben sie noch alle Tassen im Schrank? Oder haben die nen scheiß Tag, Streit mit ihrer Frau, sind medikamentös falsch eingestellt? Lächeln die Flugbegleiterinnen eine Spur zu beruhigend?

Ganz wichtig auch die erste Durchsage aus dem Cockpit: Klingt der Pilot verkatert? Manisch? Spricht er Akzent? Oder sagt er womöglich Turbulenzen an? Dann steuere ich auf ein Herzproblem zu: Der Puls schnellt nach oben, die Atmung geht flach. Was mir dann hilft? Meditieren oder Tabletten. Hattet ihr schon mal jemanden mit Flugangst neben Euch sitzen? Mein Tipp: Reden! Ablenken! Übrigens haben mich die wenigen Flüge mit einer weiblichen Pilotin eher beruhigt. Warum, kann ich nicht sagen.

Mir ist allerdings schleierhaft, wie irgendjemand Fliegen ANDERS sehen kann als ich: In einer vollgetankten Röhre mit 120 Leuten 11 Kilometer über der Erde zu sitzen, das ist doch nicht normal? Wie kann jemand bei Turbulenzen über dem Atlantik schlafen? Aber ich weiß, ich bin nicht allein: Schon beim Einsteigen spotte ich sie manchmal, meine Angst-Leidensgenossen. Hektisch blättern sie in der Zeitung und bestellen schon vormittags Wein. Ihr Blick sieht aus – wie mein eigener. Wir sind vermutlich die Einzigen, die sich die Sicherheitsmaßnahmen auch zum 39485. Mal genau ansehen. Die Bord-Entertainment auch nur mit einem Auge schauen, wir müssen schließlich wachsam bleiben. Über dem Himalaya auf dem Weg nach Taiwan hab ich mir mal auf einem turbulenten Flug zwei Pullis übereinander angezogen, für den Fall, dass ich nach einer Notlandung da unten friere. Alles klar?

Es gibt nur eine Airline, der ich grenzenlos vertraue. Und es gibt Lichtblicke: Der Moment über den Wolken, in dem die Anschnallzeichen ausgehen, der Moment, in dem sie wieder angehen - zur Landung. Ruhige Flüge. Der Moment, in dem das Flugzeug den Boden berührt - statt den Hudson. Und der Moment, an dem ich nach einem tollen Sonnen-Urlaub oder Städtetrip wieder Zuhause bin, überglücklich, dass ich es getan habe. Denn Daheimbleiben ist auch keine Option.

 

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