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  • AutorenbildAnna Gelbert

Outtakes - Mein Leben als B-Movie


Heute werden die Oscar-Nominierungen bekanntgegeben – jedes Jahr ein mega-wichtiger Termin für mich: Für Filmfreaks starten jetzt Wochen, in denen sie möglichst viele Streifen von der Liste runterschauen. Ich hatte schon freie Tage, an denen ich mir drei Presse-Previews reingezogen habe. Direkt hintereinander weg. 11 Uhr, 13 Uhr, 16 Uhr. Bäm. Gern würde ich glauben, ich sei Mitglied der Academy und müsste das beruflich machen. Bin aber nur ein Fan, oldschool noch dazu. Jenseits vom Netflix-Serien-Hype sinke ich gern in einen Kinosessel und lasse mich zwei Stunden lang berieseln. Dabei ploppt immer öfter die Frage auf: Wie wäre eigentlich mein Leben als Film? Mein Beruf ist zwar Storytelling. Aber was ist eigentlich meine eigene Story?

Sollte kurz vor meinem Tod (ist ja mit 45 nicht viel zu früh, sich darüber mal Gedanken zu machen) mein Leben nochmal als Film vor meinem inneren Auge ablaufen, dann spiele ich glaube ich am ehesten in der Outtake-Liga. Bringt vielleicht auch ein bisschen Leichtigkeit in diesen doch eher schweren Moment. Gerade zurzeit hätte ich ne Menge Material, das sich für lustige Nachklapps unter der Überschrift "Was alles schiefging" zusammenfassen ließe.

Ich versuche zwar schon lange, die einzelnen Szenen zu einem organischen Ganzen zusammenzufügen, was sich auf 100 Minuten geschmeidig weggucken würde. Mein Leben als Film - Immer noch ist unklar, ob das eine Romantic Comedy oder ein Oscar-verdächtiges Drama wäre. Ein Directors Cut wird’s ziemlich sicher nicht. Tatsächlich gerät es immer mehr zu einer Ansammlung von "Das drehen wir nochmal"-Takes. Nur - wann?

Da ist dieser Sonntagabend: Stell Dir vor, Du gehst als Bloggerin zu einem Bloggertreffen - und alle siezen Dich. Du fühlst Dich wahnsinnig fresh und glossy und digital, Anna-log ist nur noch Dein Name - um dann zu sehen, dass Du hier die Queen Mum unter den Tastendrückern bist. Ich muss es leider sagen: Ja, ich bin Influencerin – allerdings nur für meine beiden Kinder. Aber hey, zwei Follower sind doch schon mal was.

Oder neulich mit einer Freundin in einer Münchner Bar. Zwischen Anwälten, die sich hier auf ne After Work-Pizza treffen und Tinder-Treffen, die hier ihr erstes Date abhalten, weil Gesprächspausen (zusammen schweigen kann man erst nach ein paar Jahren, und mit mir ohnehin NIE) in dem Trubel nicht auffallen und der Fluchtreflex durch gleich zwei Ausgänge bedient wird…zwischen all diesen

Leuten also wir zwei Frauen. Nicht Single, nicht auf der Suche. Trotzdem frustrierend, wenn der einzige Sakkoträger, der Dich anspricht, sagt: „Können SIE mir mal bitte das Salz reichen?“. Mach ich gern, Arschloch.

In deinen 20ern ist das Leben wie die Werbung vor dem Film: Vorfreude mischt sich mit Ungeduld, Popcorn und Cola Light werden verstohlen im dunklen Kinosaal aufgestoßen, neben Dir sitzt immer jemand, der für Dich nachts um drei durch die halbe Stadt radeln würde - oder zumindest jemand, mit dem Du auch nach dem Film noch Spaß haben wirst. Dumpf flackert gegen Ende dieses Jahrzehnts die Frage auf: Was passiert eigentlich NACH dem Happy End? Wirst Du bald erfahren.

Denn in den 30ern startet der Blockbuster mit vollem Gedröhne und in 3 D: Jetzt zeigt sich: Ist Dein Leben ein Action-Kracher oder ne Rom Com? Oder bist Du am Ende im Programm-Kino gelandet? Einem finnischen schwarzweiß-Problemfilm ohne Untertitel, dafür mit Cellosonaten? Alle fühlen sich klug, aber irre deprimiert. Was tun? Sich mit Cola Light übergießen und anzünden - oder flink den Kinosaal wechseln? Nebenan läuft in der Regel IMMER irgendetwas mit Liam Neeson. Dein Leben in diesen Jahren ist ein Film, der unentwegt fragt: Willst Du Action oder Kultur (für einen kurzen Zeitraum scheint beides möglich zu sein)? Klar ist nur: Du willst von allem das Beste: Traumhochzeit, Musterkinder, Turbokarriere, Hammerreisen. Klingt in der Theorie spitze, ist aber irre anstrengend – genauso wie 180-Minuten-Filme, die einfach nicht wissen, wann’s genug ist.

Dann kommen die 40er und 50 er in Deinem Leben. Hauptfilm vorbei, Abspann läuft endlos lange, die Türen stehen schon offen, und du checkst nochmal gegen: Wer hat alles mitgespielt (jetzt ist ein guter Zeitpunkt, den attraktiven Nebendarsteller zu googlen), wer hat den traurigen Soundtrack geschrieben, wer das Catering gemacht? Wer sorgte für den richtigen Ton - und wer hat eigentlich die Kostüme so unfassbar verkackt?

Wenn Du ganz viel Glück hast, kommt jetzt noch ein Juwel - die Outtakes. Und an dieser Stelle bin ich gerade: Meine Sammlung der besten Ging-total-daneben-Szenen wächst und wächst, peinlich ist mir kaum noch was. Und damit bin ich wohl in bester Gesellschaft von Frauen, die nicht mehr um jeden Preis perfekt sein wollen.

And the Oscar goes to...hier kommt sie, meine Oscar-Prognose: Frances McDormand holt sich für „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ dieses Jahr ihren zweiten Oscar nach Fargo (1997). Die Frau ist 60, ziemlich verwittert – und wäre in Hollywood sicher schon im Abspann, wenn sie nicht so eine coole Sau wäre.

Wir brauchen mehr coole Säue!

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