top of page
  • AutorenbildAnna Gelbert

Rohes neues Jahr!


Wie feiert man eigentlich Silvester mit über 40? Wenn man Fanmeilen hasst, Böller laut findet und Angst hat, 2018 als Brandopfer im Klinikum Rechts der Isar zu starten. Wenn man lieber um 20 Uhr und bei 20 Grad feiern würde, als sich mitten in der Nacht bei Eiseskälte in High Heels zu verkühlen (für viele von uns mittlerweile ja oft die einzige Möglichkeit, an eine Blasenentzündung zu kommen) Nach vielen schönen Jahreswechseln mit Familie und Freunden dieses Jahr also mal eins zu zweit. Alle Einladungen ausgeschlagen, Reisen zum Jahreswechsel - been there, done that. Manchmal schön, oft enttäuschend - und immer teuer.

Ausgehen ist das Schlüsselwort. Aber wohin?

Die Restaurants bieten allesamt Silvester-Dinner, oder noch besser, "GALA"-Silvester Dinner mit 8-Gänge-Menü an, verstohlenes Gähnen und Aufstoßen ab 22 Uhr, Sehnsucht nach Dinner for One auf der Couch, erschöpfter "Wie lange denn noch"-Blick auf die Uhr inklusive, dafür aber 200 Kracher weg.

Nope.

Die beliebtesten Silvester Gourmet-Marathons Raclette und Fondue sind nichts für mich, weil ich weder Fleisch noch Käse esse und nicht verstehen kann, wie sich Menschen unter einem Spinnennetz aus meterlangen Emmentaler-Fäden aufeinander, geschweige denn aufs neue Jahr einstimmen. Muss das denn gleich mit verklebten Haaren und Verstopfung starten?

Ich gehe also auf Nummer sicher und kaufe ein Kleid und zwei Party-Bändchen: Eins für eine Münchner Luxusherberge und eins für eine hippe Hotel-Location. Mal sehen, welches Event das Rennen macht.

Erstmal die große Frage: Wie zieht man sich eigentlich an, wenn der Abend in die eine oder andere Richtung kippen kann. Glamourös oder lässig? Die meisten Frauen setzen in dieser Situation aufs kleine Schwarze. Aber das LBD (Little Black Dress) dünkt mir heute eine Nummer zu unentschieden. Ich sage JA zu: kurz mit bunten Pailletten und hohen Sandalen, ich tu einfach, als sei Juni. Am Ende sehe ich aus wie eine Mischung aus Retro-Discokugel und Heide Keller als Chef-Stewardess Beatrice beim Captain-Dinner auf dem Traumschiff. Gleich wächst mir eine Wunderkerze aus dem Kopf.

Seit Jahren hab ich kein Silvester ohne Kinder verbracht, ein bisschen schmerzt mich das. Allerdings wären sie bei all dem, was noch kommt, nicht am richtigen Platz:

Los geht's in die Nacht: Im Luxushotel steigen gleich 8 Parties, jede dritte Frau hier sieht aus wie Sylvie Meis, nach einem Glas Champagner für fast 20 (!!!!!) Euro hab ich das Gefühl, das ist kein gutes Omen für 2018. Nicht, dass ich nicht gern aussähe wie Sylvie, aber das hier wirkt wie eine Juweliers-Party in St.Moritz. Das IT-Accessoire 2018, der Trend zeichnet sich ganz deutlich ab, ist ein reicher Mann. Passt gut zu jedem Outfit und öffnet viele Türen. Die Stimmung hier: Dank einer Soulband fantastisch. Gute Musik, viele schöne Kleider - immerhin, 7 von zehn Punkten für diesen Auftakt. Tipp: Bei solchen Festen immer daheim vorglühen, sonst trinkst Du Dich hier schnell mal in Richtung Dispo statt Disco.

Nächste Party, nächster Versuch: Hipster-Land liegt gleich um die Ecke. Und das zeichnet sich erstmal dadurch aus, dass verhuschte Gestalten mit langen Haaren und großen Pupillen im Gebäude herrumschleichen und "Die Party" suchen. Das hat ein bisschen was von Berlin-Mitte: Nur nicht zuuu offensiv gut gelaunt sein, immer ne ironische Brechung einbauen. Viele Frauen hier haben ironische Haarkränze, ein spöttisches Lächeln auf den Lippen und konnten sich nicht entscheiden: Dress up oder fuck up? Unter den Männern: Erstaunlich viele Smoking-Träger, schön find ich das! Wenn schon feiern gehen, dann richtig, und nicht mit 70 DEN- Strumpfhose in Sneakers. Leute, das sollte Euer erster Vorsatz fürs neue Jahr sein: Das Leben ist schon ironisch genug, es gibt keinen Grund, alles mit einem hämischen Lächeln und Pseudo-Coolness zu verbrämen. Feiert! Schon morgen können die Erfrischungen zu Ende und alle tot sein (hab ich bei Woody Allen geklaut, aber auch der sieht ja alles eher spöttisch...). Ich verrat Euch was: Feiern ist eine ernste Angelegenheit. Ihr braucht den festen Vorsatz, es jetzt, hier und heute so richtig krachen zu lassen. Wenn Ihr schon mit dieser Schluffi-Haltung losgeht, ach Du, mal schaun wie's wird, so halb geschminkt und halb gut gelaunt, falls es nix ist, geh ich heim und schau Netflix, dann versprech ich Euch: Es wird genauso lauwarm, wie ihr hier antanzt. Gas geben ist das Party-Gesetz Nr. 1.

Also weiter: Zwei DJs, die meine Söhne sein könnten, mit Caps und Shirts legen ironische 80er und 90er Musik auf. Zu Rick Astely und Like a Virgin rasten alle aus. Wie benimmst Du Dich als 45-jährige, wenn ironische Hipster die Songs Deiner Jugend grölen? "Hey, Ihr Penner habt mir meine Epoche geklaut?!" Nein, Du grölst mit. Schließlich bist Du zum Feiern hier, heute werden keine Gefangenen gemacht. Zeig, wie's besser geht!

Als wir um 4 Uhr morgens rausschleichen, liegen viele der NEON-Leser schlafend in den Sitzecken, na, na, na Herrschaften, soviel Biss muss aber schon noch sein, dass Ihr es mit Würde hier rausschafft. Ansonsten: 9 von 10 Partypunkte gehen eindeutig an diese Veranstaltung. Kostet nur ein Viertel, bringt viermal so viel Spaß - wenn man ihn denn zulässt.

Schon in sechs Stunden werde ich mich von aufrecht schwimmenden Rentnern im Warmfreibad wieder angranteln lassen, das neue Jahr mit meinen Kindern starten und froh sein, dass ich es noch kann: Feiern 2018. Ganz un-ironisch.

Happy 2018!

bottom of page