Goodbye Restaurants! Ich hab Schluss gemacht mit Essengehen. Zumindest mit Kindern. Warum? Weil wir in den vergangenen Jahren ein Vermögen dafür ausgegeben haben, quengelnde Einjährige mit Baguette im Hochstuhl ruhigzustellen, zappelige Vierjährige wieder einzufangen und maulfaulen Präpubertären einen vollständigen Satz aus dem Mund zu ziehen. Und jetzt reicht’s. Ich bin müde vom Rumsitzen, warten, die Kinder an ihre Manieren erinnern, alle Geschmäcker berücksichtigen. Wenn die Kinder klein sind, ist alles klar: Ihr wollt Kids, die sich im Restaurant benehmen können, die gerne essen, auch mal etwas probieren und (haha) - dankbar dafür sind, dass Ihr ihnen so viel bietet. Die Realität sieht leider so aus: Einer der Eltern stopft hastig sein Essen in sich rein und riskiert eine akute Gastritis. Der andere rettet die Kinder vor stolpernden Kellnern, spielt draußen fröstelnd Fangen und träumt vor der Tür davon, einfach nicht mehr reinzugehen, sondern die S8 zum Flughafen zu nehmen, nach Argentinien auszuwandern und mit neuem Pass ein neues Leben zu beginnen. Wir waren in Restaurants zum Familienbrunch mit Kinderbetreuung, um wenigstens einen Halbsatz mit Freunden zu wechseln. Bei dem halben Satz bleibt’s dann leider, denn nach zehn Minuten steht garantiert einer der Kleinen auf der Matte. („Langweilig, will heim, der XY hat mich gehauen“, mir ist schlecht…, hier könnt ihr einen beliebigen Satz aus dem Quengel-Baukasten einsetzen). Eigentlich ist es toll, dass sich die Gastros mehr und mehr auf Familien einstellen: Unser Lieblingsrestaurant hat sonntags einen Kinderclown und bietet Pizza zum Selberbacken an (Nehmt das!) Damit kommst Du eine Stunde über die Runden. Wenn’s ganz gut läuft, finden die Kinder Gefährten und entwickeln ein Spiel, das sie eine Viertelstunde in Schach hält. Gerne Verstecken im Dunkeln in einer Seitenstraße. Als Eltern isst Du dann auch nicht in aller Seelenruhe Deine Pasta mit Rucola zu Ende. Nein, Du beginnst zu grübeln: Wie lange sind die eigentlich schon weg? Es ist stockfinster draußen. Außerdem sind die Kleinen dabei. Wird der Abend damit enden, dass Suchtrupps mit Spürhunden und Nachtsichtgeräten das Viertel durchkämmen - oder hebst Du Deinen Po nach einem Aperol dann doch mal aus der Sitzecke und gehst nachschauen? Jaa, ein bisschen ist das auch Erziehungssache, ich weiß. Wer früh ein bisschen Drill in die Bude bringt, auf einem ordentlichen Tischgespräch und Manieren besteht, der hat später weniger Stress. Meistens. Das Allheilmittel, das Allerletzte, wenn wirklich alle Mal-Sets vollgekritzelt und alle Brotkörbe leer sind: DAS SMARTPHONE. Nur mit dem Handy hast Du eine halbe Stunde zuverlässig Frieden (den Du teuer bezahlen wirst, denn danach sind sie so geladen, dass nur der Fussmarsch zum Auto sie wieder runterbringt). Allerdings artet das leider immer mehr aus: Ich muss mich dabei an die eigene Nase fassen, sofern sie mal hinter dem Smartphone hervorlugt. Seit Jahren gewöhne ich mich jetzt an den Anblick ganzer Familien, die im Restaurant nur noch ins Phone statt in die Gesichter der anderen zu schauen. An Babys, die im Kindersitz das I-Pad vor der Nase haben, damit Mama und Papa sich mal wieder so richtig in Ruhe anschweigen können. Können wir diese Entwicklung noch stoppen? Ich hoffe es, und wir müssen dabei mit gutem Beispiel vorangehen. Ich überschlage mal im Kopf: Alles in allem haben wir seit zehn Jahren sicherlich einen Gebrauchtwagen in Italienern, Edel-Grills und Vietnamesen liegen lassen. Und neulich? Da hab ich beschlossen, das alles für eine Weile zu kappen: Als ich mit drei Kindern für 70 Euro essen war: Alle drei am Handy, Tischgespräch null, die Teller nur halbleer gegessen - da wusste ich: Wenn ich daheim nen Topf Nudeln aufsetze, sind wir alle glücklicher. Es ist ein Luxusproblem, schon klar. Und, als neulich mein Großer mich fragte, ob wir denn so oft essen gehen müssen, da wurde mir klar. Jetzt ist Schluss mit dem Fremdgefresse. Zu besonderen Anlässen: gern. Weil es am Sonntag regnet und keiner Lust hat zu Kochen? Nope. Alexander von Schönburg schreibt in seinem Buch "Tausendundeine Party- Die hohe Kunst des Feierns": "Auf die Frage "Was machen wir heute Abend?" fällt den Stadtmenschen fast nur noch eine Antwort ein: "Wir gehen essen." Und weiter: "Viel angenehmer ist es da, in eine kleine Zweizimmerwohnung zu kommen, wo zwei Dutzend Gäste sich Wohnzimmer und Schlafzimmer verteilen, man auf der Bettkante sitzend den Teller auf seinem Schoß balanciert, billigen Wein trinkt und Pasta mit dehydrierten Pilzen isst, aber nie mehr gehen will." Genau das mache ich jetzt: Halloween? Advent? Jeder Anlass ist recht, um sich gemütlich mit Freunden zusammenzusetzen. Jeder bringt was mit? Wieso denn nicht? In Zeiten, in denen alle dem dänischen Gemütlichkeitsideal HYGGE huldigen, ist das die perfekte Art der Zusammenkunft. Im Sommer zieht es uns nach draußen, in Biergärten und Eck-Italiener. Im Winter rücken wir zusammen.
Jetzt gibt’s erstmal viel Selbstgekochtes daheim - bis mal wieder jemand von selbst fragt: "Gehen wir essen?" - Und das dann auch genießen kann.