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AutorenbildAnna Gelbert

Der Mythos von der MILF


„Hat der ne Wette verloren?“, frage ich mich, als ein sehr junger Praktikant (Ich sag’s nochmal, weil es so gut tut: EIN SEEEEHR JUNGER Kollege) anfängt, mir Nachrichten zu schreiben. Spätnachts, vermutlich angetrunken und irgendwie, naja, spitz. Er ist um diese Zeit vermutlich noch wach. Ich bin schon wieder wach, um zu pinkeln.

Youporn ist wohl durch, also schreibt er – ausgerechnet MIR? Sein Whats App-Profil ist ein Foto, auf dem er seine Freundin knutscht.

Ich schreibe also ihm und einer jungen Frau, die vermutlich einen Lachkrampf kriegen würde, wenn sie wüsste, mit wem er sie da virtuell betrügt.

Ich kann allerdings auch nicht anders als zurückschreiben. Nicht so, wie er das gerne hätte, dirty talk hab ich nun wirklich schon auf Champions League Niveau betrieben. Das hier ist eher E-Jugend. „Ich stele mir gerade for, wie du im Bett liegst“, steht da auf meinem Display. „Das will ich Dir gerne sagen: Mit einer warmen Jogging-Hose und meiner Tochter im Arm“, antworte ich wahrheitsgemäß. In meinem Alter muss man nicht mehr rumfaken. „Außerdem habe ich eine Overnight Moisture Mask im Gesicht.“ Scheint aber ganz neue Assoziationsketten bei ihm auszulösen. Vermutlich denkt er, Moisture sei in diesem Zusammenhang was Gutes. Allerdings: Ich komme bei Rechtschreibfehlern nicht auf Touren - nicht umsonst gibt es kein Erregungs-Emoji. Das, liebe Mittzwanziger, bleibt der große Unterschied zwischen Passion und Porno.

„Du bist für mich die MILF überhaupt“, textet er weiter. Mittlerweile hat er wohl die Rechtschreibkorrektur gefunden. Was denkt der? Dass ich die Budapester Beinschere draufhabe? „Ich glaube, Du täuschst Dich in mir. Ich bin vielleicht erfahren, aber das betrifft nur die Anzahl an Geschlechtsverkehren in meinem Leben. Das ist mehr quantitativ als qualitativ. Stille. Er googelt wohl gerade, was quantitativ heißt.

Für alle, die neu in der Thematik sind: Milfs, also MOMS I’D LIKE TO FUCK, das sind attraktive (oder einfach geschminkte) Mütter. Was allerdings ALLE Mütter gemeinsam haben: Sie strahlen einen gewissen Willen aus, sich von Dreikäsehochs nicht auf der Nase rumtanzen zu lassen.

Er schreibt immer länger, will den Textfluss am Laufen halten. Ich antworte noch drei, vier Mal, dann schlafe ich ein. Nicht meine Zeit.

Diese abrupte Abfuhr lässt ihn die halbe Nacht weitergrübeln – und mich noch cooler erscheinen.

Die bittere Wahrheit: Ich war nicht cool, ich war einfach nur müde.

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