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AutorenbildAnna Gelbert

Fröhliche Allei(h)nacht? - #Inviteafriend


Mit meinen Kindern im Kino in "The Grinch" gewesen. Geweint, als der Weihnachts-Hasser am Ende zum Dinner mit Familie und Freunden geladen wird.

Erinnerungen an "Petterson kriegt Weihnachtsbesuch" wachgeworden: Der alte Einzelgänger läuft Gefahr, das Fest allein mit seiner durchgeknallten Katze verbringen zu müssen. Da kommen Nachbarn und bringen Essen, Trinken und – Gemeinschaft. Ente gut, alles gut.

Ich hab nur was im Auge

Warum geht mir das so nah? Warum schluchze ich, wenn beim kleinen Lord der Griesgram-Opa am Ende mit allen feiert? Warum rühren mich die bescheidenen Wunschzettel alter Menschen, die gerade das Netz begeistern? Weil ich es furchtbar finde, wenn Leute alleine Weihnachten verbringen. Für mich als Orientalin ist „Allein“ ohnehin ein Schimpfwort: Niemand macht in dieser Kultur jemals irgendetwas allein.

Einmal wollte mein Vater an einem Wintertag spazieren, einfach mal so um den Block. Da fuhren plötzlich zwei Autos im Schritt-Tempo neben ihm her, Scheiben gingen runter: Seine Neffen. Ansage ihrer arabischen Mutter – garniert mit einem Hinterkopf-Knuff: „Dein Onkel ist da draußen – ganz ALLEIN. Geh und schau, ob ihm was fehlt!“

Jetzt kommt wieder die Zeit, in der ALLEIN eine Währung ist, die niemand haben will. Im Dezember rücken die Leute zusammen. Manche so eng, dass niemand mehr dazwischen passt. Diss-mas - schade drum.

Mein schönster Weihnachtsbrauch? Nach der Bescherung durch die nachtdunklen Straßen spazieren, Kopf, Klamotten und Kinder lüften und in die hell erleuchteten Häuser spähen. Nie ist es Charles-Dickens-iger, heimeliger als an diesem Abend: In jedem Fenster zeigen sich die frohen und fiesen Facetten dieses Festes. Der Familienzwist, der gerade noch umschifft wurde, die Knatschigkeit der Kinder nach dem Geschenke-Auspacken, die Erleichterung der Mütter, auch diesen Abend wieder gewuppt zu haben, das Anstoßen auf die Heiratsanträge unterm Baum, der Schmerz getrennter Eltern, der Konkurrenzkampf unter Geschwistern, Sprachlosigkeit, Patch-Work-Chaos - ein großes, schwieriges Wimmelbild. Kaffee, Nachtisch, Grappa, Uff.

Alles feiert - einsam wacht

Und dann gibt`s diese Fenster, in denen nur ein Mensch zu sehen ist, vielleicht wäscht er an der Spüle seinen Teller ab. 21 Uhr, Festmahl vorbei, und nu?

Ich habe mich immer gefragt, warum Leute an Weihnachten alleine sind – oder maximal mit dem Hund oder dem TV feiern.

Da gibt es diejenigen, die das so und nicht anders wollen. Die Rührseligkeit und Melancholie fürchten wie Models Kohlehydrate. Gerne melden sich diese Alleingänger freiwillig für alle möglichen Weihnachtsdienste. „Ja klar kann ich am 24. nach Shanghai fliegen, logo übernehm ich die Schicht an der Tanke, der Theke, in der Klinik. Ich mach alles - nur nicht feiern.“

Demonstrativ wird KEIN Baum gekauft, mitten in der Plätzchen-Rush-Hour eine Diät angefangen, eine Fernreise gebucht – am besten in Gegenden, in denen der 24. einfach nur ein Wochentag ist.

Und dann gibt es noch Menschen wie meine frühere Nachbarin Ulla. Ulla ist das, was man eine rüstige Rentnerin nennt: Über 70, allein. Der Mann seit Jahren tot, keine Kinder, Geschwister begraben, Cousinen weit weg. Ulla ist keine, die jammert. Das ganze Jahr schafft sie es, ihren kupferrot gefärbten Kopf über Wasser zu halten. Sie macht Lese-Oma in der Schule, geht täglich zwei Stunden spazieren, hilft Flüchtlingen und organisiert Kultur-Events. Ehrenamtlich. Jahrzehntelang hatte Ulla einen Job als Bank-Kauffrau. Heute hat sie vor allem: Zeit.

Ich besuche Ulla zuhause, zwei Zimmer, Altbau in Schwabing. In ihrem Kalender steht für den ganzen Dezember ein einziger Reminder: Fußpflege. "Wenn Du alleine bist, ist Weihnachten ein bescheuertes Fest", sagt sie. Geschenke muss sie nicht kaufen. Wenn sich die Organisations-Hektik legt, in den Stunden vor Heiligabend, wenn wirklich nichts mehr zu besorgen ist, dann beginnt für Alleinstehende wie Ulla eine so stille Nacht, dass es zum Gruseln ist. Was sie dann macht? „Schönes Essen, Klassische Musik“, auch dieser Abend geht vorbei. Oben trampeln die Kinder, lautes Familienglück. Wir müssen draußenbleiben.

Stille Nacht? Nein Danke!

Was ich damit sagen will? Dass wir alle, die wir jetzt über Weihnachtsstress klagen, ein bisschen dankbarer sein sollten für die vielen Termine im Advent. Hey, irgend jemand will, dass wir auf Firmen-Events kommen, zum Umtrunk auf dem Weihnachtsmarkt, zum Basteln in die Schule. Wir werden gebraucht, andere finden es schöner mit uns. Ist das nicht fantastisch?

Weihnachten ist die Zeit, in der wir alle enger zusammenrücken. Nur einige so eng, dass niemand mehr dazwischen passt: „Wir gehen zu den Schwiegereltern, wir feiern mit den Müllers, wir sind Skifahren.“ Es ist ein Wir-athon – wer allein ist, steht am Rand hinter der Absperrung und kommt nicht rüber. Das sollten wir ändern.

Lasst uns - am besten das ganze Jahr, aber wenigstens an Weihnachten - Leute wie Ulla in unsere Mitte holen. Ja, es durchbricht unsere Rituale, unsere Routine, es ist ein bisschen fremd. Na und? Es gibt nichts Schöneres, als ein Heiligabend, an dem plötzlich die Klingel geht und Freunde hereinpoltern, Pralinen unterm Arm, die unbedingt noch probiert werden müssen. Stille Nacht? Bloß nicht. Keiner will als Grinch enden.

Wo Ulla dieses Jahr feiert? Wenn sie möchte - bei uns.

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